Peter Weydemann

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HOLZSCHNEIDEN IST KEINE KUNST

Holz- und Linoldruck sind Ausdrucksmittel für Bildideen - so wie Zeichnungen, Aquarelle oder Ölbilder. Beherrschung von Werkzeug und Material sind Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten, nicht mehr und nicht weniger. Holzschneiden ist eine erlernbare handwerkliche Fähigkeit. Wie bei allen solchen Tätigkeiten erwirbt man spezielle Kenntnisse aus der Erfahrung jahrelanger Arbeit. 

Noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts diente der Holzschnitt der Vervielfältigung von Bildern in Büchern und Zeitschriften, längst ist er ersetzt durch schnelle und effiziente Druckmaschinen.

Also eine unzeitgemäße Technik? 

In der Kunst der Gegenwart werden Holz- und Linolschnitte manchmal abgetan als etwas Biederes, rückwärts Gewandtes. In der Tat wäre es absurd, Holzschnitte heutzutage in erster Linie zur Vervielfältigung eines Motivs herzustellen. Aber darum geht es in der Kunst ja längst nicht mehr. Nicht Auflagenhöhe oder identische Ausführung aller Blätter spielen eine Rolle, interessant sind Hochdruckgrafiken, weil sie dem Künstler Gelegenheit geben zu Variationen, zu experimentellem Drucken, zum freien Spiel mit dem lebendigen Material. Weil sie Handschrift zeigen statt steriler Wiederholungen. Mischformen mit Materialdruck, Collagen oder Überzeichnungen haben die Ausdrucksmöglichkeiten erweitert, es gibt keinen Grund, diese künstlerische Technik als überholt zu bezeichnen. 

Natürlich sind es immer noch das Material Holz mit seinen Eigenheiten und lebendigen Strukturen sowie die bearbeitenden Werkzeuge, welche die künstlerischen Ergebnisse mitbestimmen. Und es ist natürlich von Bedeutung, wie der Künstler damit umgeht.

Immer sind es seine Erfindung und Phantasie, die ein gutes Bild ausmachen, nie allein die handwerkliche Geschicklichkeit. Holzschneiden allein macht noch keine Kunst.

Peter Weydemann   

Geänderter Text aus: PETER WEYDEMANN -DRUCKGRAPHIK II, Verzeichnis der Druckgraphik von 
1994 - 2002)
 


DIE KATZE ZUFALL

Der Zufall spielt in den meisten Berufen wohl eher eine negative Rolle: Alles soll berechenbar sein - jeder Wissenschaftler im Labor, jeder Mathematiker, jeder Computerspezialist würde am liebsten ein Spray haben, mit dem er den Zufall als äußerst lästiges Insekt bei seiner Arbeit vertreiben könnte, ein für allemal. Nicht so der Künstler. Im Atelier des Künstlers ist der Zufall ein willkommenes Haustier, nützlich, beliebt - aber unberechenbar wie eine Katze.

Ich arbeite an einem Holzdruck. Ein erster Andruck ist fertig, eine kleine Auflage soll folgen. Ich walze den Druckstock mit Farbe ein, lege das Blatt Papier vorsichtig auf und beginne von der Rückseite her mit dem Falzbein die Farbe abzureiben. Als ich das Blatt langsam abhebe, zieht sich ein weißer Balken quer über das Bild. Was ist da passiert? Sieht eigentlich interessant aus - grafisch sehr wirkungsvoll. Unter dem Blatt auf dem Holzstock lag ein schmales Papierstück, zufällig dort hingeraten, wer weiß wie. Ich überlege. Das ist doch eine Möglichkeit: Schablonen benutzen, beim Drucken!? Ich fange an, aus Papier Figuren zu schneiden, lege sie versuchsweise an verschiedenen Stellen auf den eingewalzten Stock, mache Durchreibungen, Gegendrucke. In Kürze ist der Tisch im Atelier verwandelt in ein Chaos aus Papierfetzen, Andrucken, ausgeschnittenen Figuren. Und jedes Stückchen Material wuchert zu Kombinationen und neuen Bildlösungen, ich kann so schnell kaum den Ideen folgen, die sich aus den Anregungen ergeben.
Die Zufallskatze springt herum, schlägt spielerisch mit den Pfoten nach den 
Ideen-Enden, verwickelt sich im Knäuel der Möglichkeiten, fegt Material vom Tisch mit einem Satz, verstreut die Papiere - es ist eine tolle Stunde. Und nachher liegt sie irgendwo und putzt sich in aller Ruhe genüsslich, während ich ein paar gelungene Bogen aussortiere, den großen Haufen in den Papierkorb schiebe und mich an den wenigen faszinierenden, ungewöhnlichen Ergebnissen erfreue.

Aber das weißt Du doch, Katzen haben ihren eigenen Willen, sie sind schlau, du kannst sie nicht dressieren, alles was sie können, haben sie sich selber beigebracht. Oder hast Du etwa Minka gezeigt, wie sie mit einer Pfote unten an der Kühlschranktür zieht und sie öffnet? Du wirst ihr nicht einmal beibringen können, die Tür wenigstens wieder zuzumachen, nachdem sie die Wurst geklaut hat!

Da sitze ich am Arbeitstisch und probiere herum, greife nach verschiedenen Materialien, überzeichne kühn eine Bleistiftskizze mit dickem Kohlestift, wische mit Lappen über das Blatt, kratze mit dem Taschenmesser in der Schicht. Komm, Miez, komm! Ich möchte, dass mit dem ungewöhnlichen Vorgehen ein interessantes Bild entsteht. Aber das Kätzchen Zufall lässt sich diesmal nicht herbei zu einem Spiel. Diesmal will es nicht. Liegt desinteressiert auf dem Sessel: „Wühl Du nur alleine in deinen Materialien.“ Beschämt werfe ich die verkritzelten Blätter in den Papierkorb.

Der Zufall in meiner Arbeit entwickelt sich aus einer Störung, einer Abweichung in 
der Ausführung eines Werkes, vielleicht durch einen Materialfehler, einen Fehldruck, eine verrutschte Linie. Aber es muss schon eine Idee da sein, ein Entwurf, eine 
kreative Absicht, erst dann kann der Zufall zum besseren Gelingen 
beitragen wie ein Gewürz an der Speise. Der Zufall allein, ohne eine bereits vorhandene Grundstruktur, ohne absichtsvolle Richtung der künstlerischen Arbeit, führt zu Enttäuschung und Frustration.

Die Ergebnisse sind dann zwar oft auf den ersten Blick faszinierend, aber auch von großer Beliebigkeit, die Ernsthaftigkeit der künstlerischen Absicht wird meist erst hinterher angeklebt durch die Interpreten.
Jedenfalls ist das die Meinung unserer Katze Minka.

Peter Weydemann 2008

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